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Friedrichshafen, 02. April 2020

Das öffentliche Leben der Stadt Friedrichshafen steht ín weiten Teilen still. Und die Kommunalpolitik? Fragen der Schwäbischen - Martin Hennings - an die Vorsitzenden der Gemeinderatsfraktionen!

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Ein Gruppenbild aus coronafreien Tagen: die CDU-Fraktion mit (von links) Martin Baur, Franz Bernhard, Norbert Fröhlich, Daniel Oberschelp, Eduard Hager, Mirjam Hornung, Achim Brotzer, Bruno Kramer und Hannes Bauer.

Schwäbische Zeitung
Martin Hennings, Regionalleiter

Die Stadt steht an vielen Stellen still, auch die Kommunalpolitik. Weil aber das Leben in Friedrichshafen auch nach der Corona-Pandemie weitergehen wird und soll, haben wir die Zeit ohne Rats- und Ausschusssitzungen genutzt, um die Vorsitzenden der Fraktionen eine erste Bilanz der Arbeit im neu gewählten Gremium ziehen zu lassen.

Den Anfang macht Achim Brotzer von der CDU, der die Fragen von Martin Hennings beantwortet – und dabei am Thema Corona nicht vorbeikommt.

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Corona hat Friedrichshafen fest im Griff. Wie verbringen Sie im Moment Ihre Tage?

Achim Brotzer: Füreinander da sein, ist das Gebot der Stunde. Aneinander zu denken, den Kontakt telefonisch oder digital zu halten, hat für uns alle höchste Bedeutung. In einer Situation, die uns vor ungeahnte Herausforderungen stellt: menschlich, geistlich und ökonomisch. Die Pandemie stellt uns alle gemeinsam vor existenzielle Fragen. Zu allererst gelten unsere Hochachtung und Dank von Herzen allen, die in dieser Ausnahmesituation ihren wertvollen Beitrag zur Bewältigung der Herausforderung leisten: Krankenschwestern und Krankenpfleger, Ärztinnen und Ärzte, Apotheken, Polizei, Feuerwehr, THW, Gesundheitsamt, Rettungsdienste, die Spitzen und Mitarbeiter in den Rathäusern. Uns allen vor Augen die Mitarbeiter in den Supermärkten und – nicht zu vergessen - die Lkw-Fahrer, die unsere Versorgung sicherstellen. Sie alle gehen an die Grenzen der persönlichen Leistbarkeit.

Die radikalen Maßnahmen zum Schutz der Menschen vor Ansteckung und zur Erhaltung der Effektivität unseres Gesundheitssystems lassen niemanden unberührt. Das Kontaktverbot schränkt uns alle ein. Daneben jagt eine Nachricht die andere, den Überblick zu behalten ist eine Herausforderung. Wie jeden treiben auch uns Fragen um: Wie können wir die unterstützen, die aktiv gegen die Krise kämpfen? Wie können wir die schützen, die akut bedroht sind? Die Älteren und Erkrankten sind in erhöhter Gefahr. Vom „Kontaktverbot“ zudem besonders betroffen, verdienen gerade sie unsere Aufmerksamkeit. Den Einkauf zu erledigen für alle, die das nicht selbst tun können, muss uns ein Herzensanliegen sein. Auch in der Fraktion bemühen wir uns, zur Vernetzung solcher Hilfsangebote beizutragen. Viele Unterstützungsangebote entwickeln sich in Eigeninitiative, andere organisiert und institutionalisiert. Dass die Hilfsbereitschaft ständig zunimmt, berührt. Beeindruckend, wie viele Menschen sich zusammentun. Auch zur Unterstützung der gebeutelten Betriebe vor Ort, denen unsere Solidarität gelten muss, denen die Einnahmen wegbrechen und die Fixkosten davonlaufen. Beim lokalen Lieferdienst Essen oder Güter des täglichen Bedarfs zu bestellen, kann unser Zeichen sein für Mut machende Solidarität.

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Hat das Virus auch die Kommunalpolitik lahmgelegt? Oder sind die Räte in diesen Tagen in Diskussionen und Entscheidungen eingebunden?

Achim Brotzer: Die Stadtverwaltung hält die wichtigsten Prozesse am Laufen, soweit dies unter den Kontaktverbotsbestimmungen möglich ist. Oberbürgermeister Brand und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen über ihre Leistungsgrenzen, stellen Kompetenz, Organisationsgeschick und Tatkraft unter Beweis. Ihr Einsatz rund um die Uhr verdient Unterstützung, Solidarität und unser Vertrauen! Wie alle trifft auch uns Ratsmitglieder die Kontaktsperre. Dennoch muss der Rat handlungs- und arbeitsfähig bleiben. So wie andere zur Bewältigung der Krise beitragen, hat auch der Gemeinderat das seine zu tun. Der Austausch zwischen Verwaltung und Gemeinderat läuft wo irgend möglich auf elektronischem Weg, digital und über Telefonkonferenzen. OB Brand informiert, stimmt Maßnahmen ab und tauscht sich mit den Mitgliedern des Ältestenrates regelmäßig aus. Sitzungen müssen öffentlich sein, eine Teilnahme der Bürger während der Kontaktsperre wäre freilich nicht verantwortungsvoll zu gewährleisten. Öffentliche Gremiensitzungen machen deshalb erst nach einer Lockerung des Kontaktverbots Sinn. Im Mai haben die Bürger einen neuen Gemeinderat gewählt mit neuen Gesichtern und Gruppierungen. Wie schätzen Sie es ein: Hat sich das Gremium schon gefunden? Ja.

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Früher ist ohne die CDU wenig möglich gewesen im Häfler Rat. Jetzt finden sich immer wieder Mehrheiten ohne die Union. Wie gehen Sie mit der Situation um?

Achim Brotzer: Die Suche nach Mehrheiten zählte auch in den Wahlperioden bis 2019 zum demokratischen Alltag. Die sogenannte „bürgerliche Mehrheit“ aus CDU, FWV und FDP war in Friedrichshafen seit jeher kein institutionalisierter, geschweige denn festgefügter Meinungsblock.

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Ihre Fraktion ist die einzige, in der kein einziger Neuling sitzt. Fluch oder Segen?

Achim Brotzer: Die Zusammensetzung der Fraktion entspricht dem Mehrheitswillen der Wählerinnen und Wähler.

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Der Ton im Rat ist konfrontativer geworden. Die Zahl der Anträge und damit der Initiativen aus der Mitte des Gremiums hat zugenommen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Achim Brotzer: Die nie da gewesene Menge allein der Haushaltsanträge zum Doppelhaushalt 2020/21 spricht für sich selbst. Ob über 100 Haushaltsanträge immer nur der Sache dienen, muss jede Fraktion für sich selbst beantworten.

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Was würden Sie als größten Erfolg der CDU im neuen Rat sehen und was war die schmerzlichste Niederlage?

Achim Brotzer: Soweit wir im demokratisch gewollten Wettbewerb stehen, wäre das im normalen Alltag sicher eine sinnvolle Frage: In der gegenwärtigen Ausnahmesituation ruht die politisch motivierte Konkurrenz. Was in diesen Tagen und Wochen zählt, ist nicht Selbstbespiegelung, sondern die vereinte Anstrengung beim Bestehen einer historischen Prüfung. Gebot der Stunde ist der Zusammenhalt auf möglichst allen Ebenen.

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Eigentlich sollte die Verabschiedung des Doppelhaushalts 2020/2021 den kommunalpolitischen März bestimmen. Muss das Zahlenwerk als Folge der Krise neu geschrieben werden? Und welche Schwerpunkte würden Sie dann setzen?

Achim Brotzer: Diese Krise beeinflusst und ändert alles. Über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Situation lässt sich derzeit allenfalls mutmaßen, zumal das Ausmaß der Folgen ganz wesentlich von der Dauer des „Shutdowns“ abhängen wird. Aktuell muss es uns aus budgetärer Sicht nicht allein um die Sicherstellung des Gesundheitsschutzes, sondern auch um sinnvoll unterstützende Maßnahmen sowohl für die Bürger als auch für die Betriebe gehen. Eines von vielen sinnvollen Mitteln muss dabei die von der Verwaltung proaktiv anzubietende Stundung städtischer Forderungen bei Steuern, Gebühren und Beiträgen sein. Hier gilt es, schnell und unbürokratisch zu handeln und erforderlichenfalls nachzusteuern.

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Was wünschen Sie den Häflerinnen und Häflern in dieser schwierigen Zeit? Und was wünschen Sie sich von den Bürgern dieser Stadt?

Achim Brotzer: Wie nahezu die ganze Welt von einer heimtückischen Gefahr betroffen, gehen wir diesen Weg gemeinsam. An uns alle, die sich um ihre Eltern und Großeltern sorgen, die um ihren Arbeitsplatz Angst haben, die als Betriebsinhaber und Selbstständige zweifeln, wie es weitergehen kann, geht der Ruf: Wir halten zusammen. Als Häflerinnen und Häfler symbolisch Hand in Hand. Mit gelebter Solidarität, Nächstenliebe und Gottvertrauen können und werden wir diese Prüfung gemeinsam bestehen!"

Wir danken der Schwäbischen Zeitung für die Gelegenheit zum Interview!

Für die CDU Fraktion
Achim Brotzer (Vors.)

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