Unsere Fraktionserklärung zum TOP 'Blaue Blume e.V.': "Kein Opfern wichtigster Werte auf dem Altar der Sympathie"
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,
im Portal 'Sag's doch' steht zum Thema 'Blaue Blume' zu lesen: "(...) Ich möchte die Stadträte bitten, dieses tolle Projekt zu unterstützen. Wo ein Wille, da ein Weg. Wenn es nicht legal sein sollte, dass sie am derzeitigen Ort sind, dann wäre es schön, wenn Sie bei der Legalisierung behilflich wären. Andererseits könnte die Stadt doch nochmals schaun ob sie nicht einen adäquaten Platz zur Verfügung stellen könnte."
Dieser - wenn auch nicht namentlich genannte - Appell verhallt nicht ungehört, spricht manchen auch hier und heute aus dem Herzen. "Wo ein Wille, sei ein Weg ..."
Selbst der Beitrag in 'Sag's doch' aber sagt ... und zumindest darin dürften viele unter uns einig sein: Dass die Besetzung in Windhaag im November 2015 widerrechtlich erfolgt ist, das bestreitet der 'Blaue Blume e.V.' noch nicht einmal selbst. Es fehlte und fehlt nicht am sog. "Unrechtsbewusstsein". Jeder weiß: Grundstücksbesetzungen sind widerrechtlich, illegal. Sei das am Kurfürstendamm, im Frankfurter Westend, in Tübingen, Freiburg und - neuerdings - in Friedrichshafen.
Widerrechtlich selbst dann, wenn der Zweck der Aktion ein "auch politischer" ist: Eigennützig politisch, soweit es um Wohnen vor Ort in alternativ autarker Wohnwagenform geht. Kommunalpolitisch, soweit es um Mitreden in der Stadtentwicklung, Kulturengagement und das Anliegen der Förderung menschlicher Begegnung geht.
Widerrechtlich, Ilegal einerseits - moralisch in Anspruch und Ziel auf der anderen Seite:
Wie geht das zusammen?
Diese Frage hat uns von Anfang an nicht unbewegt gelassen. Wieso dieser deutliche Widerspruch bei ansonsten glaubhaften Aktionen und Akteuren? Jugendliches Ungestüm? Studentischer Tatendrang? Gepaart mit einer Portion - durchaus nicht unsympathischem - "Eigennutz"?
In der Fraktion sind auch wir uns bewusst: Gegenüber jugendlich gewinnendem Engagement auf das Recht, gar dessen konsequente Einhaltung zu drängen, kann von manchen - man muss kein Prophet sein - als "engstirnig, langweilig, aus der Zeit gefallen" ankommen und als "humorlos" empfunden werden.
Pochen auf "law and order" hat was von "Hilfssheriff" oder "Hausmeister": "Engstirnig, spiessig, unsympathisch ...".
Ganz anders und weit sympathischer klingt das Wort "ziviler Ungehorsam". "Illegale Grundstücksbesetzung"? Heisst man besser "Umtopfen", das hört sich gleichnviel besser an. "Als Mittel zum guten Zweck. Politischer Ziele wegen. Missstand und Unrecht zu bekämpfen, erfordert nun mal ... Opfer? Kein Problem. Solange "Gutes" bezweckt ist und "Gutes" dabei rauskommt ..."
Man 'hört' förmlich das Augenzwinkern in dieser ... "Argumentation': "Illegal? Halb so schlimm - tolles Projekt, So what?"
Von Anfang an haben wir uns in der CDU Fraktion gefragt:
• Was, wenn das künftig jeder so macht? In der Schule gelehrt und bekannt als "Kant'scher Imperativ" ...
• Was bedeutet uns der Grundsatz der Gleichbehandlung Bevorzugung und Extrawurst? Wenn man nur unkonventionell genug auftritt, ein befürwortendes Umfeld und dazu akademische Unterstützung hat?
• Gibt es eine Vorzugsbehandlung für Rechtsbruch, auch bei kalkuliert unanständigem Handeln? Motto: "Guter Zweck, halb so schlimm ..."?
Wir kamen nach sorgsamer Abwägung mehrheitlich zum Schluss:
Mag uns ein Anliegen persönlich noch so sympathisch sein: Keine Vorzugsbehandlung bei Rechtsbruch. Und ganz besonders, wir wollen daran keinen Zweifel lassen: Auf gar keinen Fall befürworten wir eine nachträgliche Belohnung für widerrechtliche Grundstücksbesetzung.
Wir möchten nochmals versuchen, unsere Gedanken auf den Punkt zu bringen. Mit drei Fragen.
Erstens: Wie wichtig ist uns gleiches Recht für alle?
• Wenn wir Rechtsbruch gleich zu welchem Ziel belohnen, wenn wir das tun … dann bricht ein Damm. Dem Missbrauch ist dann die Tür geöffnet. Welche Mittel welchen Zwecken dienen, ist stets und immer – immer - Ansichtssache. Ein Blick in die täglichen Nachrichten zeigt: Machtpolitik denkt und handelt nicht anders. Scheint der Zweck nur wichtig und hehr genug: „Fortschritt“, „Religion“, „Gerechtigkeit“, "Great again". Zurechtlegen, was uns grade passt.
• Ist uns dazu jedes Mittel recht? Grundsätze, Prinzipien, Gebote? Außer Acht lassen, dulden, verdrängen? Natürlich immer nur ausnahmsweise: „Augen zu, Guter Zweck, Halb so schlimm, Vorrecht der Jugend, …“
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wenn unsere Prinzipien und Grundsätze nur noch dort gelten sollen, wo sie unseren Zweck nicht stören, dann sind sie sinnlos.
Aufgehoben.
Zweitens: Wie wichtig sind uns Gleichbehandlung und Vertrauen?
Es gibt auch einen Kulturaspekt der "Rechtstreue". Diese Art Kultur ist für den überwiegenden Teil der Bürger auch unserer Stadt das Fundament für Vertrauen. Ein Vertrauen, auf das unser Gemeinwesen baut, auf dem es steht und - wenn Vertrauen fehlt oder beschädigt wird - auch fallen kann. Wie wichtig ist uns dieses Vertrauen?
Der Rechtsstaat verlangt sicher nicht die Verwirklichung eines Paradieses der Moral. Aber wenn wir in einem Rechtsstaat leben wollen, dann müssen wir uns schon an seine Regeln halten, die für alle gleichermaßen gelten. Und dürfen nicht die Außerkraftsetzung des Rechts fordern oder praktizieren, wenn der, der dieses Prinzip und Recht verletzt, seine Absichten selbst für kulturell wertvoll oder politisch unterstützenswert hält.
Gleichbehandlung heißt: Das muss gelten, gleich ob mir Ziel des Täters sympathisch sind oder nicht. Außenstehende, Medien mögen zum Rechtsverstoss auf Distanz gehen oder offen damit sympathisieren: Verwaltungsorgane, die deswegen den Rechtsbruch hinnehmen und durch Duldung, Untätigkeit und Unterlassen auch noch salonfähig machen, hören auf, Garant des Rechts.
So gefährden wir sensibles Vertrauen.
Drittens: Wie können wir als Stadträtinnen und Stadträte glaubwürdig mit dem Vertrauen umgehen, das uns gemeinsam wichtig ist?
Nun haben Sie, Herr Oberbürgermeister Brand, nicht unbetont gelassen - auch heute nicht - dass "das Verhalten der handelnden Personen des "Blauen Blume e.V." "zweifellos rechtswidrig" sei. Aber es handle sich eben - sinngemäß - um eine "gute Sache". Und sie betonen das "Verwaltungsermessen", das abzuwägen geboten habe und gebiete.
Freilich es liegt auf der Hand und man muss kein Philosoph sein, um die Gegenfrage zu stellen: "Hört Unrecht, begangen für "soziale Zwecke" auf, Unrecht zu sein? Gilt das nicht auch im Kleinen wie im Großen?
Die Mehrheit der CDU Fraktion glaubt mit dem allgemeinen Rechtsempfinden: "Worten müssen Taten folgen, um glaubwürdig zu sein und glaubwürdig zu bleiben." Wenn wir im Verhandlungsraum der Kommunalpolitik anders reden und handeln als im Raum der Treueschwüre auf die Werte des Rechts als den Grundpfeilern unserer Demokratie, machen wir uns nicht nur unglaubwürdig, als Amtsträger untergraben wir das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit unserer Worte und Werte.
Wenn Verwaltung und Gemeinderat die Rechtsstaatlichkeit nicht mehr garantieren sondern relativieren, wenn wir Rechtsverstösse hinnehmen, wo es unsere erste und vornehmste Aufgabe ist, Rechtssicherheit durchzusetzen, ohne Ansehen der Person, dann gibt es ein schwerwiegendes Problem.
Wenn den Worten keine Taten folgen, dann wird, was wir sagen - jedenfalls von einem dafür sensiblen Teil der Bürgerinnen und Bürger - als austauschbar und beliebig wahrgenommen.
Natürlich verkennen wir nicht - Herr OB, Kolleginnen und Kollegen - und auch unsere Fraktion hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob eine konsequente Rechtsdurchsetzung politisch mehr Gräben aufreißen kann, als konkret an Engagement und an Bereitschaft zur Mitarbeit und Mitgestaltung unseres Gemeinwesens vorhanden ist. Stichwort "Kulturinitiativen" des 'Blaue Blume e.V.'. "Mit Kanonen darf man doch nicht auf Spatzen schießen", lautet das Argument.
Mit dieser Überlegung hat ja diese Verwaltung, die Ihre Amtspflichten ansonsten ernst und buchstabengetreu korrekt nimmt - denken wir nur an Knöllchen und Bußgeldbescheide, wie sie heute in einem anderen TOP ein Rolle spielen - davon abgesehen als Amtsträger gegen die widerrechtliche Grundstücksbesetzung vorzugehen.
Zur Krönung dieser "Duldung" seit Nov. 2015, schon 14 Monate lang, stellt sich die Frage: Können und sollen wir den permanenten Rechtsverstoss hier und heute auch noch belohnen?
Wir meinen: Nicht, wenn wir eine tragende Säule unseres Wertefundaments nicht ernst und dauerhaft beschädigen wollen.
Politisch unterstützenswert sind andere Kulturinitiativen - zumal im Fallenbrunnen - auch, ohne einen Rechtsverstoss nötig haben, um auf sich aufmerksam zu machen. Wollen wir solche dadurch schlechter behandeln, indem wir den, der sich nicht ans Recht hält, bevorzugen und belohnen?
Nicht, wenn wir das Vertrauen der Bürger erhalten wollen, dass Verwaltung und Gemeinderat in der Lage sind, Recht unparteiisch anzuwenden: Ohne Ansehen der Person - unbeeinflusst durch Sympathie oder Antipathie, seien es "sympathische" oder "unsympathische" Antragsteller oder Täter.
Ich komme zum Schluss:
Gleich, ob es um "hehre" Ziele geht, mögen sich auch viele dazu bekennen, das Problem verdrängen, verharmlosen oder - schlimmer noch - Rechtsverstösse als Mittel zum Zweck gutheissen: Die "Unbestechlichkeit" des Rechts mutet uns Konsequenz zu. Eine Verwaltung und ein Gemeinderat, die glaubwürdig bleiben wollen, sollten auch so handeln. Dann darf es nicht heißen: "Ja nichts zumuten, was mobilisieren, aufregen oder woran sich reiben kann." oder "Bloss keine Wähler vergraulen."
Die Beschlussanträge der Verwaltung zielen darauf ab, zur Kenntnis zu nehmen, wozu man nicht den Kopf nicken darf, und zu belohnen, was man nicht belohnen darf. Es geht dabei um tragende Prinzipien und wichtige Grundsätze.
Die CDU Fraktion kann den Verwaltungsvorschlägen - mehrheitlich - nicht folgen, solange die Verantwortlichen der 'Blauen Blume' sich nicht nur symbolisch 'Asche aufs Haupt streuen' und augenzwinkernd 'gute Zwecke' und das 'Vorrecht der Jugend' beschwören. Solchen Worten müsste glaubwürdiges Handeln folgen. Dann - erst dann - folgen legitimen Zwecken legitime Taten.
Deshalb unser abschliessender Appell, liebe Kolleginnen und Kollegen in diesem Gemeinderat:
Opfern wir nicht unsere Grundsätze und Prinzipien - Gleiches Recht für alle und Gleichbehandlung ohne Ansehen der Person - auf dem Altar der bloßen Sympathie.